Direkt zum Hauptbereich

Ganz schoen gesalzen (Teil 2)


Irgendwann wurde das Durchschnittsalter der Club-Besucher zu hoch und unsere Augenlider schwer. Tja, die Feierei will gelernt und geübt werden. Aus Mangel an entsprechenden Lokalitäten an den Tagen davor war nicht viel mit Trunk und Tanz gewesen. Achtung, Hier baue ich unauffällig eine Überleitung der eher auffälligen Art zu unserem Trip um Uyuni ein. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis in Uyunis Salzwüste eine Diskothek aufmacht, wenn man die Ströme an Touristen betrachtet. 


Durch besagte Wüste bretterten wir am ersten Tag unserer dreitätigen Jeepfahrt durch die schönsten Landschaften des bolivianischen Westens. Los ging’s in Uyuni, dem Touristennest schechthin, wo man ganz europäisch Ravioli (!) mampfen und nebenbei Dubstep (!!) hören kann. In der Reiseagentur, die den Trip organisierte, lernten wir unsere Mitfahrer, ein holländisches und ein brasilianisches Pärchen kennen und einigten uns auf Englisch als Kommunikationsmittel. Was dem bolivianischen Fahrer und wohl etwa so leicht oder eher schwer fiel wie mir, die jegliches angelsächsisches Vokabular aus ihrer Birne verbannt hat, um Platz für Spanisch zu schaffen. An der ersten Station der Fahrt machten wir schnell die ersten Deutschen aus: „Mach mal hier ein Foto von mir. Nicht so, Klaus!“ und Deuter-Rucksäcke ließen keinen Zweifel zu. 
Von graubraunem Erdboden rollten wir wenig später in ein weißes Glitzermeer ein: Der Salar de Uyuni, ein ausgetrocknetes Meer und die größte Salzwüste der Welt. Wie Schneekristalle mutete das feuchte Salz an. Die schier endlose Sicht wurde nur unterbrochen von ein paar Hügeln am meilenweit entfernten Horizont. Das kräftige Blau des Himmels im Kontrast zum waschpulverweißen Boden, die Stille und, ja, das Ausfallen des mobilen Internets vermittelten den Eindruck, auf einem anderen Planeten zu sein. Kam ein Jeep nach dem anderen angefahren und spuckte seine fotohungrige Fracht aus, bröckelte dieser Eindruck aber leicht.


Unser eher schweigsamer Fahrer Rodrigo entpuppte sich als Profi in Sachen Fotoideen und optische Täuschungen. Musikalisch bot er uns in den drei Tagen ein breites Spektrum von Coldplay über Rock, Metal und 90er-Stampf bis zu Rihanna. 
ja, es gibt im Salar auch Dinosaurier :)






Die letzte Station der ersten Tagesetappe bildete die Kakteeninsel, ein mitten in der Ebene aufragender Erdbrocken, übersät mit saitenwurstförmigen Kakteen. Nach einem Bierchen mit Lama, welches einen Beutel mit der Aufschrift „Money“ trug (der Kapitalismus hat auch das letzte Fleckchen Natur erobert), betraten wir unsere Ruhestätte für die Nacht. Das Salz verfolgte uns: Wände und Boden unserer Gemächer bestanden aus dem Gewürz. Machte meine barfüßigen nächtlichen Klogänge etwas schmerzhaft. 






Am nächsten Morgen stapften wir durch eine Steinwüste, bewunderten blaue, rote und –quasi- grüne Lagunen (bei letzterer spielte das Wetter nicht mit, sie erfreute mit einem zarten Schlammbraun) und aßen neben staksenden Flamingos zu Mittag. Mitten in der Natur ohne Zugang zu frischen Lebensmitteln ist es plötzlich auch in Bolivien möglich, lecker vegetarisch zu essen.

Die folgende Nacht sollte nicht nur recht dunkel- kein Strom mehr nach neun Uhr-, sondern auch ziemlich kurz werden: Halb fünf klingelten die Wecker in unserem Sechs-Betten-Schlafsaal. Nach einer amüsanten Runde Uno mit einer Gruppe Israelis, bei der unsere Brasilianerin Stuttgart glatt mit Hogwarts verwechselte, legten wir uns schon halb zehn ins Bett und waren dennoch am nächsten Morgen (oder sollte ich Nacht sagen?) nur halb lebendig, von guter Laune wollen wir gar nicht anfangen. Inmitten blubbernden, pupsenden Schwefels fror ich mir kurz vorm Sonnenaufgang fast meine Extremitäten ab. 

 












Rettung kam- nicht in Form eines gehaargelten Doktors a la Grey’s Anatomy, sondern als großer Kochtopf. Mit Scharen anderer Touris aalten wir uns in heißen Quellen und fühlten uns wie ummantelt von Wonne. Auf dem Weg zur chilenischen Grenze, wo wir zwei Drittel der Reisegruppe ablieferten, trafen wir Wüstenfüchse und -karnickel. Selten war ich so erstaunt vom Anblick von – Gras. Wir aßen in einem Dorf mit Bächlein mitten in der Wüste zu Mittag, bevor wir nach ein paar Stunden Fahrt wieder nach Uyuni zurückkehrten. Zivilisation! Toiletten! Frisches Obst! Wenn auch unser Fahrer nicht mehr als genau das war, war es ein einmaliges Erlebnis gewesen- so viele verschiedene Landschaften, surreale Wüsten, bunte Lagunen und nicht zuletzt deliziöse Verpflegung. 

Vikunas - nicht zu verwechseln mit Alpakas

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mal wieder was Rührseliges, jetzt, wo die Tage wieder grauer werden, nach einem bombastischen Sommer. Wofür bist Du dankbar? Das ist bei den meisten von uns nicht das, worauf unser Fokus liegt (ein paar Sonnenscheinchen und Frohnaturen ausgenommen, die wahrscheinlich eine sehr gesunde Psyche und Gedankenwelt haben). Umso mehr möchte ich es mir aktiv ins Denken holen. Es gibt immer irgendetwas, das nicht klappt, das unzufrieden macht. Jede:r von uns hat Defizite. Aber die sollten nicht unsere volle Aufmerksamkeit bekommen.  Wofür ich selbst dankbar bin: - ein langer, heißer Sommer voller Sonne - süß-saure, gelb-rote Falläpfel - tiefstehendes Licht am Spätnachmittag - die Ruhe nach einem wuseligen Tag - meine Großeltern noch zu haben - weite Sweatshirts aus dicker Baumwolle - Kontakt zu Freund:innen - wo auch immer sie sind - Kissen - Zimmerpflanzen - Kohlrabi  - Funk & Fernsehen - Abendstunden in meinem Sessel - mein Handy Ich könnte die Liste noch eine Klopapierrolle lang weiterfüh
Wohin sind die Tage, an denen es scheinbar unendliche Mengen an Mate und Zeit gab?  Wohin die Abende, an denen es egal war, wann oder ob wir ins Bett gehen?  Wo sind die spontanen Bäder im Fluss am späten Nachmittag und das Versumpfen in einem packenden Gespräch?  Unbemerkt sind sie gegangen. Ihr Fehlen fällt erst jetzt auf.  Here we go, Erwachsensein.
Wann hat das eigentlich angefangen, dass sich keine:r mehr festlegen will? Alle Optionen, Menschen und Beziehungen ganz offen ? Reicht eine Person nicht oder wollen sie alles haben oder die Möglichkeit (und das damit einhergehende Gefühl), alles haben zu können?  In mein Herz und meinen Kopf passt für eine tiefe Beziehung zueinander (und wieso sollte ich etwas darunter wollen?) maximal eine Person.  Wieso sollte ich eine beliebige Aktivität mit jemand anderem teilen wollen, wenn ich sicher weiß, dass ich sie ganz wunderbar mit dieser einen bestimmten Person teilen kann? Dass wir gut beim Reden, Wandern, Rumalbern oder im Dunklen, Kalten grummelig zusammen nach Hause Stapfen harmonieren?  Ich habe ja, außer wenn ich muss, auch nicht freiwillig mehr als eine Arbeitsstelle, Handynummer, mehr als ein Bett,  oder feiere meinen Geburtstag mehr als einmal. Weil die schönsten Dinge (okay, diese Argumentation greift bei der Arbeitsstelle nicht so ganz) eben nur im Original schön sind. Weswegen